2022

IPHIGENIA

Thalia Theater in Hamburg/ Salzburg Festspiele

Durch die Zeiten hinweg ist Iphigenia Projektionsfläche: Bei Euripides rettet eine Frau den Vater – und das ganze griechische Volk –, indem sie sich selbst für gute Winde opfert. Die Göttin Artemis bewahrt sie vor dem Tod, schickt sie dafür aber nach Tauris, wo Johan Wolfgang von Goethe aus ihr eine nachsichtige Humanistin macht. Dass sie sich und ihren Bruder Orestes retten kann, verdankt sie nicht nur der Überzeu¬gungskraft des deutschen Idealismus, sondern auch den Gefühlen, die sie bei Thoas, dem König der Taurer, weckt.

Wer ist die junge Frau hinter dem Mythos, hinter der kollektiven Erzählung der Geopferten? Wie geht Selbstermächtigung in Strukturen, die genau diese Erzählungen stützen? Autorin Joanna Bednarczyk und Regisseurin Ewelina Marciniak knüpfen mit ihrer modernen „Iphigenia“ an aktuelle Diskurse an: Im Zentrum steht ein jahrelang verschwiegener Missbrauch des Onkels Menelaos an seiner Nichte. Iphigenia wird zum Opfer sexueller Gewalt — und von ihrem Vater Agamemnon nochmal für Ruf und Karriere geopfert. Sie verliert jedes Gefühl für Sinn und opfert am Ende nicht nur die eigene Zukunft als erfolgreiche Pianisten, sondern auch ihre Liebe zu Achilles. (Macht-)Missbrauch und Verrat spalten Iphigenia in ein gegenwärtiges Ich und ein „erwachsen gewordenes“ Alter Ego, das mit einer emanzipierten Perspektive auf das Geschehen blickt – gespielt von Mutter und Tochter Oda Thormeyer und Rosa Thormeyer.

Anstatt sich zwischen den Interessen anderer (Männer) zu verlieren, befreit sich Iphigenia von Erwartungshaltungen und Zuschreibungen, besinnt sich radikal auf sich selbst und handelt.

 

Text Joanna Bednarczyk after Goethe and Euripides

Regie Ewelina Marciniak

Choreographie Dominika Knapik

Bühne Mirek Kaczmarek

Kostüme Julia Kornacka

Musik Jan Duszyński

Licht Paulus Vogt

Dramaturgie Emilia Heinrich, Joanna Bednarczyk

Künstleriche Mitarbeit und Übersetzung Alek Niemiro

Photos Krafft Angerer

Mit:

Rosa Thormeyer (Iphigenia)

Oda Thormeyer (Iphigenia)

Christiane von Poelnitz (Klytaimestra)

Sebastian Zimmler (Agamemnon / Toas)

Jirka Zett (Achill / Orestes)

Lisa-Maria Sommerfeld (Helena)

Stefan Stern (Menelaos)

Anton Pirx Dvořák, Karl Friedrich Dvořák (Orestes, alternierend)

Presse

„Zu den lebendigsten Momenten einer Inszenierung mit langen Monologen gehören die Choreographien von Dominika Knapik, die schon Marciniaks mit dem „Faust“ gekrönte „Der Boxer“-Adaption in der Gaußstraße prägten, diesmal aber nur selten den Spielfluss auflockern.”

„Immer wieder brechen die Schauspieler in Choreografien aus (von Dominika Knapik), als tanzten die Figuren, was sie nicht mit Worten sagen können. Das sieht großartig aus, ist vermutlich immens viel Arbeit herzustellen.”